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Fachartikel aus MECHATRONIK 9-10, S. 22 bis 24

igus

Bestens verbunden – MMI 4.0

Vorkonfektionierte Energieketten von igus unterstützen die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte in der Steckverbinderproduktion von TE Connectivity, indem sie die Prozesse von der Konstruktion bis zur Montage verschlanken.

Transparenz an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist ein ganz wesentlicher Baustein der Digitalisierung in der Produktion. Das Werk Wört von TE Connectivity (TE) hat ein Projekt umgesetzt, welches die Transparenz an den 130 Stanzanlagen erheblich steigert. Dabei kommen unter anderem komplett vorkonfektionierte Energiekettensysteme, sogenannte „readychains“, von igus zum Einsatz.

In jedem modernen Auto sind mehrere Kilometer elektrische Leitungen verbaut. Jede dieser einzelnen Leitungen wird über Steckverbinder an das gesamte Netz und die zugehörigen Steuergeräte und Verbraucher angeschlossen. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Steckverbinder im Auto sehr hoch ist. In der Kfz-Oberklasse können es 6.000 Stück sein. Entsprechend hoch sind auch die Tages- und Wochenproduktion der einschlägigen Zulieferer und der Anspruch an die Qualität der Produkte bei zugleich starkem Kostendruck.

Werkzeugkasten für die Digitalisierung

Im Werk Wört von TE ist gut zu erkennen, wie unter diesen Voraussetzungen die Digitalisierung vorangetrieben wird. Das Werk hat hier eine Leitfunktion im Produktionsverbund der 17 europäischen Steckverbinder-Produktionsstätten und befasst sich intensiv mit dem Thema Industrie 4.0. Christian Baumgärtner, Digital Factory Coordinator für die Werke Wört und Dinkelsbühl: „Wir haben einen ‚Werkzeugkasten‘ mit Applikationen entwickelt, um die Digitalisierung in die Praxis umzusetzen.“

Das „Rückgrat“ oder besser das zentrale Nervensystem der Digitalisierung bildet ein Manufacturing Execution System (MES), welches an jeder Maschine eine Vielzahl an Daten sammelt. Ein Beispiel: Im Betrieb gibt es allein 130 Stanzanlagen, die Kontakte für die Steckverbinder herstellen und dabei bis zu 1.000 Hübe pro Minute ausführen. Jede Anlage ist mit einem Bildverarbeitungssystem ausgestattet, welches jeden einzelnen Kontakt inspiziert und dessen Qualität dokumentiert.

Entsprechend groß ist das Datenvolumen für das die Verantwortlichen bei TE eine passgenaue und innovative Infrastruktur entwickelt haben. Christian Baumgärtner: „Wir haben an jeder Maschine einen Büro-PC installiert, der die Daten nach dem Prinzip des ‚Edge Computing‘ vor Ort erfasst, sammelt und strukturiert an zentrale Switches weiterleitet.“ Außerdem wurde jede Produktionsanlage mit einem Badge-Leser ausgerüstet, der die Rechteverwaltung regelt. Auf diese Weise ist klar festgelegt, welche Maschinenfunktionen die Bediener oder Instandhalter beeinflussen dürfen.

Ziel: MES-Daten an jeder Maschine sichtbar machen

Was die Visualisierung der Daten angeht, hat TE eine klare Strategie: „Unser Ziel bei allen Digitalisierungsprojekten ist es, die Mitarbeiter weitest möglich einzubinden und ihnen die Arbeit zu erleichtern“, erklärt Werksleiter Andreas Lutz. „Deshalb sollen die Daten dort sichtbar sein, wo sie generiert werden.“ Zum Digitalisierungskonzept gehört daher ein 24 Zoll TFT-Display an jeder Maschine. Außerdem sorgen große Andon-Terminals in jedem Fertigungsbereich für Transparenz.

An den Spritzguss- und Montageanlagen war die Umsetzung dieser Strategie relativ einfach. Bei den komplett eingehausten Stanzanlagen stellte sich jedoch die Frage, wo der Bildschirm angebracht wird. In Frage kam eigentlich nur die Montage an der Vorderseite der Anlagen, d. h. auf den großen, seitlich verschiebbaren Schutztüren. An diesen Türen gab es jedoch keine Energiezufuhr. Deshalb musste eine Lösung gefunden werden, um die Bildschirme mit Energie- und Signalleitungen zu versorgen.

Aufgabe: Energiezuführung über die Schutztür

Die Idee, für diese Aufgabe eine Energiekette zu nutzen, wurde gemeinsam mit igus umgesetzt. Christian Baumgärtner: „Wir haben gemeinsam die Anforderungen an die Kette definiert und uns entschieden, die Ketten als readychains, d.h. als fertig konfektionierte Systemkomponenten mit Leitungen und Steckverbindern zu beziehen. Bei der Auslegung hat igus uns gut unterstützt und zum Beispiel empfohlen, die Bilddaten über HDMI- statt USB-Stecker zu übertragen.“

Als praktisch erwies sich auch die von igus entwickelte Online-Lebensdauerberechnung für Energieketten, die vor Ort auf dem Tablet durchgeführt wurde: „Aufgrund der Berechnung haben wir einen größeren Biegeradius gewählt, weil sich die rechnerische Lebensdauer dadurch von sechs auf zehn Jahre erhöhte.“ Wichtig war aus Sicht von TE auch die Flexibilität: Bei Bedarf soll die Möglichkeit bestehen, die Kette mit weiteren Leitungen zu befüllen.

Erfolgreicher Test

„Nach der Auslegung von Kette, Leitungen und Steckverbinder lieferte igus zunächst zwei montagefertige readychain Sätze, die bei TE oberhalb der Schutztüren verbaut wurden“ erklärt Philipp Krajewski, zuständiger Technischer Verkaufsberater bei igus. Angeschlossen werden die fertig konfektionierten Leitungen an die PCs, die gut geschützt seitlich an den Anlagen montiert sind. „Die Tests verliefen zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten. In den Folgemonaten rüstete TE sämtliche 130 Stanzautomaten – einige davon in der Vorproduktion – mit PCs, TFT-Bildschirmen und den vorkonfektionierten readychains aus.“

Ergebnis: alle Maschinendaten vor Ort abrufbar

Das praktische Ergebnis der Digitalisierung zeigt Christian Baumgärtner an einer Maschine: Am Bildschirm kann der Bediener – die entsprechende Berechtigung vorausgesetzt – unter anderem die aktuellen Produktionsdaten einsehen und die aufgetretenen Unregelmäßigkeiten und Fehler abrufen. Dabei werden rund 1.200 verschiedene Fehlerursachen erfasst. Sogar die Kamerabilder jedes einzelnen Stanzteils stehen zur Verfügung.

Das ist ganz im Sinne der Digitalisierungsstrategie von TE. Betriebsleiter Andreas Lutz: „So sorgen wir für Transparenz an jeder Anlage und schaffen die Voraussetzungen für sofortiges Gegensteuern, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten – noch bevor die Anlage stoppt oder Ausschuss produziert. Damit steigern wir die Verfügbarkeit und die Produktivität.“ Gesteigert wird das Tempo in diesen Fällen noch dadurch, dass TE das MES um eigene Applikationen ergänzt hat, die bei Störungen zum Beispiel den jeweils zuständigen Kollegen in der Instandhaltung nennen.

Weltweites Interesse der TE-Standorte

Rund ein Jahr nach dem Start des Digitalisierungsprojektes sieht sich TE in Wört auf einem sehr guten Weg. Nicht nur die 130 Stanzanlagen, sondern insgesamt 378 Workcenter im gesamten Werk – von der Galvanik über die Spritzgießerei bis zur Endmontage – wurden an das MES angebunden und mit PCs und Bildschirmen ausgerüstet. Andreas Lutz: „Das Interesse der anderen Werke im weltweiten TE-Produktionsverbund ist groß.“ Als eines der führenden Unternehmen für Steckverbinder betreibt die Automotive-Sparte von TE 24 Werke auf drei Kontinenten und beschäftigt allein in Europa rund 12.000 Mitarbeiter. Mit mehr als 1.700 Mitarbeitern (100 davon sind Auszubildende) gehört Wört zu den größten Standorten – und zu denen, die bei der Digitalisierung am weitesten vorangeschritten sind.