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Fachartikel aus MECHATRONIK 5/2018, S. 6 bis 9

Gar nicht „lax“: Produktivitätsanstieg durch Servoantriebe in der Lachsverarbeitung

50% Durchsatzerhöhung, vervielfachte Flexibilität, optimierte Hygiene und Reinigungsfreundlichkeit sowie Wartungsfreiheit – dies sind die wesentlichen Vorteile eines neuen, servotechnischen Antriebskonzepts. Ermöglicht werden diese Performanceverbesserungen durch den Einsatz von hochdynamischen, kompakten und spielarmen TPM+-Servoaktuatoren von Wittenstein alpha.

Die Antriebe sind auf einer Maschinenplatte montiert, welche die Aktuatorköpfe und die Verkabelung von der Prozessseite der Fischbearbeitungsmaschine trennt. 

Die rotativen Antriebseinheiten sind für den Einsatz in den Baader-Maschinen mit einem erhöhten Korrosionsschutz ausgestattet. Aufgrund ihres besonderen mechanischen Aufbaus – ein Präzisionsplanetengetriebe und ein Synchron-Servomotor sind kupplungsfrei miteinander verbunden – bieten die TPM+-Servoaktuatoren nicht nur eine besonders kurze Gesamtbaulänge, sondern auch Bestwerte hinsichtlich Dynamik, Drehmoment, Verdreh- und Kippsteifigkeit sowie Laufruhe. Carsten Paulsohn, Entwicklungsingenieur bei Baader, spricht gar von einer „begeisternden Leistungsdichte“, mit der sich die TPM+ beim Weltmarktführer für Fischbearbeitungsmaschinen in Vergleichstests erfolgreich gegen Standardservomotoren mit Winkelgetrieben oder mit Riemenvorgelegen durchgesetzt haben. Mit der Integration der Servoaktuatoren in die Baader 144 und die dadurch deutlich verbesserte Produktivität setzt das Unternehmen erneut einen technologischen Standard.

TPM+-Servoaktuatoren bieten nicht nur eine besonders kurze Gesamtbaulänge, sondern auch Bestwerte hinsichtlich Dynamik, Drehmoment, Verdreh- und Kippsteifigkeit sowie Laufruhe. 

Baader: ganzheitliche Lösungen für die Fisch-, Geflügel- und Fleischverarbeitung

„Food Processing Machinery“ – ist seit fast 100 Jahren das Kerngeschäft der Nordischer Maschinenbau Rud. Baader GmbH + Co. KG in Lübeck – kurz Baader. Keimzelle des heutigen Produktportfolios mit alleine etwa 50 Fischverarbeitungsmaschinen war die weltweit erste Köpf- und Entgrätungsmaschine, die ab dem Jahr 1922 die Fischverarbeitung automatisierte – und damit revolutionierte. Darüber hinaus ist Baader einer der weltgrößten Anbieter von Maschinen zur Geflügelverarbeitung und auch Hersteller von Separatoren zum Trennen von Weich- und Festanteilen. Insgesamt beschäftigt die Baader Gruppe in seinem weltweiten Netzwerk mit etwa 70 Standorten knapp 1.200 Mitarbeiter – davon ungefähr 40 Prozent am Stammsitz in Lübeck. „Unser Unternehmen, das mittlerweile in der dritten Generation familiengeführt wird, fokussiert sich heute auf ganzheitliche Lösungen, um in allen Phasen der Verarbeitung von Fisch, Geflügel und Fleisch höchste Prozess- und damit Produktqualität zu gewährleisten“, erläutert Andreas Dann, Entwicklungsingenieur bei Baader. „Daher nutzt jede neue Maschinengeneration die aktuell besten Technologien, um die Effizienz in allen Verarbeitungsprozessen zu verbessern.“ Ein Beispiel dafür ist die neue Lachsschlachtmaschine Baader 144 mit ihrem wegweisenden servotechnischen Antriebskonzept.

Werkzeuge können entsprechend der Lachskontur dynamisch in der Höhe verfahren und gleichzeitig Sauger und Kratzer während des Vorschubes des Fisches durch die Maschine mitgefahren werden. 

Lachsverarbeitung: Marktnachfrage „beflügelt“ technologische Weiterentwicklung

War Lachs früher eine rare Delikatesse, so ist es heute ein Massenprodukt – dass jedoch immer noch ein Gefühl von Luxus transportiert. Zudem gilt Lachs als gesund, weil er reich an Omega-3-Fettsäuren ist, die den Cholesterinspiegel im Blut senken und Herzinfarkten vorbeugen sollen. Der Appetit auf Lachs, der bereits heute zu etwa 90 Prozent in Fischfarmen gezüchtet wird – rund 400 Millionen Lachse schwimmen alleine vor Norwegens Küsten in Meeresgehegen, dürfte also weiter steigen. „Ein Trend, der seit langem absehbar ist“, meint Carsten Paulsohn, weshalb sich Baader bereits frühzeitig mit der Produktivitäts- und Effizienzverbesserung von Lachsschlachtmaschinen beschäftigt hat. Die Entwicklungsziele waren ehrgeizig formuliert: Erhöhung des Maschinendurchsatz von 12 bis 16 Fischen pro Minute je nach Größe auf 25 Lachse pro Minute in einem variablen Größenspektrum von 2 bis 11 kg ohne Vorsortierung, Möglichkeit zur Steuerung komplexer Bewegungsabläufe, Verbesserung der Hygiene durch ein Antriebskonzept mit erhöhtem Korrosionsschutz sowie Minimierung des Reinigungs- und Wartungsaufwandes in der gesamten Maschine – und all dies in den Abmessungen der bewährten Baader 142. „Um die Anforderungen an Geschwindigkeit und Flexibilität in Bezug auf die Größe der zu verarbeitenden Lachse erfüllen zu können, war es erforderlich, die bisherigen Schrittmotoren mit Riemenvorgelege durch leistungsfähigere Servomotoren zu ersetzen“, erklärt Carsten Paulsohn. „Die TPM+ ermöglichen es in der neuen Baader 144, die Werkzeuge entsprechend der Lachskontur dynamisch in der Höhe zu verfahren und gleichzeitig den Sauger und Kratzer während des Vorschubes des Fisches durch die Maschine mitfahren zu lassen.“

Die Servoaktuatoren haben einen Edelstahlabtrieb und eine spezielle Drei-Komponenten-Lackierung. 

Servoantrieb TPM+ dynamic in allen Achsen

Zentrierung, Schlitzmesser, Sauger, Kratzer A, Kratzer B und Kratzer C – in jedem Prozessmodul kommen ein oder teilweise zwei TPM+ dynamic in Baugröße 025 zum Einsatz. Der elfte Servoaktuator in der Baader 144 ist der Hauptantrieb welcher die Kette antreibt, mit der die Lachse durch die Maschine transportiert werden. Ein Simotion-Automatisierungssystem steuert die Antriebe und synchronisiert ihre teils komplexen Bewegungen. Montiert sind die Antriebe auf einer Maschinenplatte, die die Aktuatoren und die Verkabelung mit einer hochgradig dichten Wellendurchführung von der Prozessseite der Maschine trennt, auf der die Lachse geschlachtet werden. „Auch wenn wir durch das Abdichten der rückseitigen Maschinentür den Verschmutzungsgrad nochmal deutlich reduziert haben, was es uns wichtig, dort Servoantriebe mit erhöhtem Korrosionsschutz einzusetzen“, sagt Andreas Dann. „Die TPM+ sind mit einem Edelstahlabtrieb ausgerüstet und mit einer speziellen Drei-Komponenten-Lackierung gegen Korrosionsbildung durch Feuchtigkeit oder Verunreinigungen geschützt. Dadurch sind wir auch bei den ohnehin selten erforderlichen Reinigungsarbeiten in Nicht-Prozessteil der Maschine auf der sicheren Seite.“

Einer der elf Wittenstein-Servoaktuatoren treibt die Hauptkette an, mit der die Lachse durch die Maschine transportiert werden. 

Aus performancetechnischer Sicht überzeugen die TPM+ dynamic-Servoaktuatoren in dieser Anwendung neben ihrem dynamischen Regelverhalten vor allem durch Kompaktheit, ihr geringes Verdrehspiel und die hohe Kippsteifigkeit. „Während man bei anderen Antriebskonzepten schon mal mit bis zu 15 Millimeter Spiel der Hebelkinematiken im Leerlauf rechnen muss, lassen sich diese Servoaktuatoren nahezu spielfrei und die Werkzeuge somit extrem präzise bewegen“, bestätigt Carsten Paulsohn. „So können wir beispielsweise die beiden Kratzwerkzeuge so synchronisieren, dass sie sich im Betrieb kollisionsfrei auf wenige Millimeter annähern. Dies spart Platz und optimiert den gesamten Prozessablauf.“

Prozesszeit pro Lachs: 2,4 Sekunden – Prozessqualität: 1A

Der Prozess, bei dem pro Minute bis zu 25 Lachse maschinell geschlachtet werden, beginnt nach dem Vorwählen der Lachssorte in der Maschinensteuerung mit dem vereinzelten Einlauf der Fischkörper in die Maschine. Zunächst werden die Lachse mechanisch vermessen. Das Messer zum Öffnen der Fische hängt an einer Schwinge, die über den TPM+-Antrieb in der Höhe verfahren wird. Parallel zu dieser Funktion wird der Fisch durch einen weiteren Servoantrieb auf Mitte zentriert. Pro Reinigungswerkzeug treiben je zwei TPM+ eine Parallelkinematik an, die die Werkzeuge mitfahren lässt und aufgrund der ermittelten Kurvenvorgabe den Fisch optimal reinigt. Aufgrund der mitfahrenden Werkzeuge bleibt deren Relativgeschwindigkeit im Fisch gering. „Dies führt zu einem zumeist vollständigen Entfernen aller Eingeweide und Organe“, sagt Andreas Dann. „Die Qualität des Schlachtergebnisses wird durch ein Kamerasystem beurteilt und dokumentiert, so dass nur noch ein Bruchteil ausgeschleust und manuell nachkontrolliert werden muss.“

Das Messer zum Öffnen der Fische hängt an einer Schwinge, die über den TPM+-Antrieb in der Höhe verfahren wird. 

Der Einsatz von TPM+-Servoaktuatoren hat die Produktivität der Maschinen quantitativ und qualitativ erhöht. Hinzu kommt eine Reihe von wirtschaftlichen Effizienzverbesserungen. So kann der Servoantrieb gegenüber herkömmlichen Standardservomotoren mit Winkelgetrieben oder mit Riemenvorgelegen bei gleicher Leistung um ein bis zwei Baugrößen kleiner ausgeführt werden. Dadurch reichen im Prinzip kleinere, kostengünstigere Servocontroller aus – und auch die Energiebilanz verbessert sich. „Unter dem Strich ergibt sich daraus – bei höherer Leistungsfähigkeit der Maschine – eine Reduzierung der Gesamtkosten“, bestätigt Carsten Paulsohn. „Zudem vermeidet die Servoantriebstechnik nicht nur den zuvor erforderlichen Wartungsaufwand der mechanischen Antriebskomponenten – sie ist im Falle eines Falles auch leichter zugänglich und Plug and Play austauschbar.“ Schließlich war es möglich, mit Hilfe der Strommessung des TPM+ den Hauptantrieb besser in das Sicherheitskonzept der Maschine einzubinden.

Die Servoantriebstechnik ist leicht zugänglich und per Plug and Play austauschbar. (v.l.n.r. Andreas Dann, Entwicklungsingenieur, Carsten Paulsohn, R&D (beide Baader) und Mario Bürger, Vertriebsingenieur bei Wittenstein vor der Baader 144) 

Bearbeitungsgeschwindigkeit, Arbeitsbereiche, Reinigungsfreundlichkeit und Wartungsfreiheit – der Servoaktuator TPM+ dynamic leistet im neuen Maschinenkonzept der Baader 144 einen wesentlichen Beitrag zu mehr Performance und Prozessqualität.