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Fachartikel aus MECHATRONIK 3-4/2018, S. 6 bis 11

B&R: ACOPOStrak

Flexible Antriebstechnik für die Fertigung individueller Produkte

Innovative Ansätze in Mechanik und Antriebstechnik bilden den Kern des neuen, intelligenten B&R-Transportsystems ACOPOStrak, mit dessen einzigartiger Konzeption sich adaptive Maschinen und Anlagen bauen lassen.

Bild: B&R
Bei einem Produktwechsel setzt der Bediener lediglich die Räder der gerüsteten Shuttles auf die Führungen. Auf den restlichen Linien des Tracks läuft die Produktion in voller Geschwindigkeit weiter. (Bild: B&R)

Produzierende Unternehmen benötigen Lösungen, um neue Produkte immer schneller auf den Markt zu bringen und wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne dass die drei OEE-Komponenten Verfügbarkeit, Performance und Qualität im Vergleich zur reinen Serienproduktion nicht sinken. Es muss zudem ein attraktiver Return of Investment (ROI) und eine möglichst niedrige Time-to-Market (TTM) für neue Produkte oder Produktänderungen gewährleistet sein. Nur so lässt sich die Individualisierung von Massenprodukten wirtschaftlich umsetzen. Die Digitalisierung aber reicht nicht aus, um alle Anforderungen zugleich umzusetzen. Dazu gehören auch intelligente Transportsysteme, mit denen sich adaptive Maschinen und Anlagen für eine flexible und wirtschaftliche Produktion herstellen lassen.

Losgröße 1 verlangt flexible Konzepte für Produktion und Transport

Um die Geometrie des Transportsystems möglichst ohne zusätzlichen Konstruktionsaufwand an das jeweilige Layout einer Maschine flexibel anzupassen zu können, ist einerseits ein abgestimmter Modulbaukasten von technologischen sowie transportorientierten Einheiten erforderlich. Andererseits muss ein Transportsystem Produktströme trennen und wieder zusammenführen können, um erforderliche Bearbeitungsstationen individuell anfahren, andere auslassen oder auch fehlerhafte Teile ausschleusen zu können.

Sollen auf einem Klebebinder beispielsweise individuelle Broschüren wie Fotobücher oder personalisierte Handbücher hergestellt werden, sind unterschiedliche Bearbeitungsstationen im Bereich des Klebstoffauftrags und der Einbandmontage erforderlich. Dafür sind Systeme etabliert, in denen die einzelnen Bearbeitungsstationen entsprechend der technologischen Prozessfolge um eine Transportkette herum angeordnet werden. Ein Technologiewechsel für verschiedene Klebstoffarten bzw. Einbände ist in einer solchen Konfiguration nur durch den Austausch der entsprechenden Stationen durch Modulderivate möglich. Der grundsätzliche Vorteil dieser Variante ist sicher der Preis des Transportsystems. Eine Sammelkette mit einem Hauptantrieb und dazugehöriger Servotechnik ist konstruktiv etabliert und mit vergleichsweise geringem Aufwand zu fertigen. Der entscheidende Nachteil dieses Konzeptes ist jedoch die mangelnde Flexibilität, denn für jeden Technologiewechsel ist die Maschine umzurüsten. Losgröße 1 ist damit nur in engen Grenzen möglich, denn auch wenn der Inhalt individuell gestaltet ist, so lassen sich nur Produkte mit gleicher Bindetechnologie in unmittelbarer Folge fertigen. Die streng aufeinander folgende Anordnung wirkt sich auch nachteilig auf die Produktivität aus, denn das Produkt mit der längsten Verweilzeit für das Trocknen oder Abkühlen bestimmt die Leistung der Gesamtanlage.

Das Beispiel zeigt, dass sich die genannten Anforderungen mit herkömmlichen Transporttechnologien, wie Sammelketten, Förderbändern oder ähnlichen Systemen, gar nicht oder nur mit erheblichem konstruktivem Aufwand erfüllen lassen.

Bild: B&R
Qualitatives Anlagenschema für einen Klebebinder mit einer Sammelkette als Transportsystem. (Bild: B&R)

Lösungsansatz mit Langstator-Linearmotor

Eine Lösungsmöglichkeit sind Transportsysteme unter Verwendung von Langstator-Linearmotoren. Diese Technologie basiert auf der Physik eines Linearmotors, bei dem ein im Stator befindliches Spulensystem mit Strom gespeist und so ein magnetisches Feld erzeugt wird. In Kombination mit einem auf der Gegenseite befindlichem Permanentmagneten wird so eine kontrollierte Vortriebskraft generiert, die ein damit bestücktes Shuttle in Bewegung versetzt. Der Vorteil dieser Technologie besteht in der Erzeugung einer direkten translatorischen Bewegung, ganz ohne Schubkurbelgetriebe oder ähnliche konstruktive Elemente. Damit ist der Antrieb wartungs- und geräuscharm, energieeffizient und hochdynamisch. Langstator-Linearmotoren nutzen genau dieses Prinzip, nur dass viele Statorelemente mit unterschiedlicher Geometrie aneinandergereiht und mit mehr als einem Shuttle bestückt werden können. Der Stator kann demzufolge sehr lang werden („Langstator”).

Bild: B&R
Die verschleißfreie elektrische Weiche des ACOPOStrak kann bei voller Geschwindigkeit Produktströme teilen und vereinen. (Bild: B&R)

Mit dieser Technologie ist schon ein Meilenstein in Richtung Flexibilität und Produktivität erreicht, allerdings fehlt für einen Durchbruch zur Fertigung von individuellen Massenprodukten in Losgröße 1 noch eine entscheidende Eigenschaft – die Möglichkeit der Bildung diversitärer Produktströme. Für das B&R-Transportsystem ACOPOStrak wurde eine elektronische Weiche entwickelt, die die Trennung von Produktströmen ermöglicht. Mit ACOPOStrak sind Systemlängen von über 100 m möglich, es können nahezu beliebig viele Shuttles gleichzeitig mit bis zu 4 m/s bewegt werden und mit nur wenigen Segmenttypen lassen sich Strecken für Bearbeitung, Pufferung, Parallelisierung sowie Ein- und Ausschleusung frei gestalten. Durch die Integration von Weichen kann jedes Shuttle mit eigener Trajektorie durch das System bewegt und somit einer individuellen technologischen Bearbeitung zugeführt werden. Dies wird durch ein abgestuftes Hard- und Softwarekonzept ermöglicht, bei dem jedes Teilsegment mit einer Vielzahl von Einzelspulen sowie einem Messsystem ausgestattet ist.

Bild: B&R
Ein abgestimmtes Hard- und Softwarekonzept sorgt für höchste Performance und effektives Engineering. (Bild: B&R)

Modulares Hard- und Softwarekonzept erleichtert Konfiguration und Engineering

Die Segmente verfügen über eigene Segment Controller für die individuelle Stromregelung jeder einzelnen Spule. In Verbindung mit dem implementierten Messsystem regelt der Segment Controller die Geschwindigkeit und Position aller im Bereich des Segmentes befindlichen Shuttles, steuert deren Übernahme und Übergabe an die angrenzenden Segmente und übernimmt die Bestromung der Weichen. Alle weiteren Softwaremodule befinden sich auf einer, via Powerlink gekoppelten zentralen Steuerungseinheit. Dort generiert ein Shuttle Controller die Sollwerte der Shuttles und übernimmt die Kollisionenvermeidung. Außerdem ist dieses Modul für die Interaktion mit der Peripherie zuständig, um beispielsweise den Toolcenterpoint eines Roboters oder eines CNC-gesteuerten Werkzeuges auf die Bewegung eines Shuttles synchronisieren zu können. In den Modulen Logistics Control und Process Control wird in weiterer Folge die Trajektorie der einzelnen Shuttles entsprechend der übergeordneten Prozessbeschreibung geplant. Entscheidend für ein effektives Engineering ist der Zugang zu diesen Funktionen. Bei ACOPOStrak erfolgt das im B&R Automation Studio und über mapp-Funktionsbausteine die aus der B&R-Standardbibliothek abrufbar sind. Damit können u. a. die aktuellen Shuttlepositionen gelesen, die Shuttles auf einem Sektor initialisiert bzw. additive Shuttlebewegungen bei aktiver Kollisionsvermeidung konfiguriert werden. Für die Steuerung eines Shuttles auf einer individuellen Trajektorie werden bei ACOPOStrak Processpoints definiert, wie es der schematisch dargestellte Prozess mit einer dreifach parallelisierten Bearbeitungsstation, jeweils einer Be- und Entladestation sowie zugeordneten Wartezonen für die individuelle Zusammenstellung eines 3er-Packs zeigt. Der markierte Processpoint soll die Weiterleitung der Shuttles in die jeweiligen Tracks steuern. Dazu wird mittels mapp-Funktionen der Produktstatus des auslösenden Shuttles abgefragt, als Parameter der zugehörige Trackabschnitt übergeben und die Bewegung gestartet. Der gesamte weitere Ablauf erfolgt ausschließlich in den Ebenen Shuttle control und Segment control. Eine weitere Programmierung ist nicht erforderlich.

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Modulschema eines Klebebinders für die Produktion individueller Buchformate mit ACOPOStrak als Transportsystem. (Bild: B&R)

Fazit: Innovative Transporttechnologie schafft Alleinstellungsmerkmale

Wird ein Klebebinder mit ACOPOStrak als Transportsystem realisiert, kann die Forderung nach größtmöglicher Flexibilität für Produkte in Losgröße 1 erfüllt werden, weil sich jedes Produkt entsprechend der technologischen Grenzen sowohl in den Formaten wie auch in den Bindeverfahren unterscheiden kann. Die Lösung zeigt, wie ACOPOStrak völlig neue Möglichkeiten für die Herstellung individueller Produkte eröffnet. Allein die Option, das Transportsystem über die gesamte Buchfertigungsstrecke vom Digitaldruck bis zum Versand zu erweitern, generiert weitere Synergien, womit sich der gesamte Prozess auch I40-konform hocheffektiv gestalten lässt.

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Layout eines Transportsystems auf ACOPOStrak-Basis für die Zusammenstellung individueller Packstücke. (Bild: B&R)

Erleben Sie ACOPOStrak Live am B&R-Messestand!
Hannover Messe: Halle 9, Stand D26