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Fachartikel vom 05/04/2015

Zeitschriften mit Gimmicks bestücken

Kleben im Duett

Vollautomatisch verschiedene Gimmicks auf Zeitschriften aufkleben – dem Ingenieurbüro Kock aus Kiel gelang dies mit zwei Adept-Quattro-Deltakinematiken und der PackXpert-Software samt Bildverarbeitung. Pro Stunde verlassen nun bis zu 5500 beklebte Zeitschriften die Anlage.

Bild: Adept
Der Adept Quattro verfügt über eine patentierte Kinematik, die speziell für High-Speed Verpackungsaufgaben und Materialhandling entwickelt wurde. (Bild: Adept)

Von Ralf Högel

Seit den späten 70er Jahren, als das Comic-Heft Yps erstmals in großem Umfang mit beigelegten Kinder-Spielzeugen wie kleinen Kompassen aus Kunststoff oder dem „Urzeitkrebs“-Aufzuchtset auf sich aufmerksam machte, greifen verschiedene Zeitschriften auf solche Gimmicks zurück. In einer norddeutschen Druckerei wurden diese Gimmicks lange Jahre manuell aufgeklebt. Zwei geübte Mitarbeiter brachten es dabei auf durchschnittlich 3.000 Zeitschriften pro Stunde.

Das Ingenieurbüro Kock aus Kiel, ein Sondermaschinenbauer, der bereits mehrere Projekte mit der Druckerei erfolgreich realisiert hat, nahm sich der Aufgabe an, das Aufkleben einer Vielzahl unterschiedlichster Gimmicks zu automatisieren. Für das ehrgeizige Ziel von 5500 aufgeklebten Einheiten pro Stunde unter besonderen Rahmenbedingungen kam für Kock nur ein Roboter in Frage: der Adept Quattro. Dieser Roboter verfügt über eine patentierte Kinematik, die speziell für High-Speed Verpackungsaufgaben und Materialhandling entwickelt wurde. Als einziger Roboter mit 4-Arm-Design erreicht der Adept Quattro eine hohe Geschwindigkeit und Beschleunigung auch bei höheren Traglasten über den gesamten Arbeitsbereich – die ideale Maschine also für die Handhabung der Gimmicks.


Zuführung unterschiedlicher Varianten optimal gelöst


Peter Lange, Leiter der Applikationsabteilung von Adept, der Kock mit seinem Team bei diesem Projekt unterstützt hat, erinnert sich an den ersten Kontakt: „Als wir die vielen unterschiedlichen Varianten an Spielzeugen gesehen hatten, beschlichen uns Zweifel. Wir waren zwar sicher, dass unsere Quattros die verschiedenen Gimmicks in der nötigen Taktzeit greifen und aufkleben könnten, aber eben nur dann, wenn das Problem der Vereinzelung und lagerichtigen Zuführung zu lösen sein würde.“ Tatsächlich hatte das Ingenieurbüro die Lösung schon parat. Geschäftsführer Kay-Olaf Kock: „Wir kennen das Problem, dass sich Produkte, die aufgrund ihrer Größe und flächigen Form keine selbstvereinzelnden Eigenschaften besitzen und sich mit herkömmlichen Zuführsystemen nicht vereinzeln lassen. Für diese Fälle haben wir ein Vereinzelungssystem entwickelt, mit dem sich lose dreidimensionale Produkte für die Weiterverarbeitung durch Roboter aufbereiten lassen.“ Im konkreten Fall werden die in großen Kartons angelieferten Gimmicks in einen Trichter gekippt, portioniert, vereinzelt, hinreichend geordnet und mit einem gewissen Abstand auf ein Zuführband aufgebracht. Diese technisch komplexe Lösung hat sich als prozesssicher und zuverlässig erwiesen.

Bild: Adept
Ein Zuführband transportiert die Gimmicks durch einen Kameratunnel. (Bild: Adept)

Das Zuführband transportiert die Gimmicks anschließend durch einen Kameratunnel. Die integrierte Bildverarbeitung übernimmt die Produktidentifikation und bestimmt die Lage der Gimmicks auf dem Band. Das System erkennt dabei auch, welche Gimmicks in der richtigen Lage, also mit der Klebeseite nach unten auf dem Band liegen und dadurch von den Robotern gegriffen und aufgeklebt werden können. Falsch liegende Gimmicks, deren Klebeseiten nach oben zeigen, verbleiben auf dem Band, werden automatisch lagerichtig ausgerichtet und der Anlage erneut zugeführt. Ein interessantes Detail: Die Bildverarbeitung erkennt nicht nur Lage und Position der einzelnen Gimmicks, sondern liefert auch die Information, wie viele richtig liegende Teile sie erkannt hat. Auf Basis dieses Wertes passt die Steuerung automatisch die Geschwindigkeit des Zuführbandes so an, dass genau so viele Gimmicks zugeführt werden, wie die Roboter verarbeiten können.


Aufkleben im Vorbeiflug


Um die Bestückungsleistung erreichen zu können, kommen zwei baugleiche Adept Quattro s650H zum Einsatz, die jeweils über ein eigenes Zuführband verfügen und im ständigen Wechsel die Zeitschriften bekleben. Sobald einer der Roboter mit seinem Vakuumsauger ein Gimmick vom Zuführband aufgenommen hat, berechnet die Software Position und Geschwindigkeit der nächsten für den Roboter erreichbaren Zeitschrift. Der Deltaroboter verfährt dann zum darunterliegenden Zeitschriften-Transportband, fährt kurz mit dem jeweiligen Heft mit und legt das Gimmick nach Erreichen der definierten Position aus einer Höhe von etwa drei Millimetern mit einem Druckluftimpuls auf die mit einem kleinen Klebepunkt versehene Stelle ab. Das Gimmick wird also nicht direkt vom Roboter auf die Zeitschrift gedrückt, sondern dank perfekter Synchronisation des Roboters mit dem Zeitschriftenband berührungslos über einen Blasimpuls aufgebracht.

Damit dies bei einer durchschnittlichen Taktzeit von 1,3 Sekunden pro Roboter prozesssicher funktioniert, haben Peter Lange und sein Team den Ablauf bei den Versuchen mit einer Highspeed-Kamera analysiert, denn mit bloßem Auge sind die einzelnen Sequenzen nicht mehr auszumachen. Auf Basis dieser Videoanalysen wurden dann die Abläufe so lange optimiert, bis die gewünschte Bestückungsleistung erreicht war. Bei dem relativ großen Höhenunterschied zwischen Zuführband und Transportband hätten viele andere Deltaroboter passen müssen. Nicht so der Adept Quattro s650H. Peter Lange: „Schon der zylindrische Arbeitsraum des Adept Quattro s650H mit 1300 mm Durchmesser deckt eine Höhe von 215 mm ab. Darunter befindet sich aber ein zusätzlicher kegelförmiger Arbeitsraum mit einer Höhe von 285 mm. Im Zentrum bietet der Quattro s650H dadurch einen Hub von 500 mm – für das Bekleben der Zeitschriften mehr als genug. Gleiches gilt für die Traglast von sechs Kilogramm.“

Noch ein Vorteil der 4-Arm-Kinematik: Alle anderen Deltakinematiken arbeiten mit drei um 120° versetzten Stäben. Falls Rotationsbewegungen nötig sind, werden diese Kinematiken in der Mitte mit einer zusätzlichen Rotationsachse ausgerüstet. Beim Quattro mit seinen vier Armen sind solche Zusatzachsen für Drehbewegungen nicht nötig.


Bedienerfreundliches Anlagenkonzept


Bild: Adept
Um die Bestückungsleistung erreichen zu können, kommen zwei baugleiche Adept Quattro s650H zum Einsatz. (Bild: Adept)

Nachdem die Anlage häufig gerüstet werden muss – in der Regel läuft kein Gimmick länger als einen Tag – haben Kock und Adept auf ein einfaches Umrüsten und Einlernen neuer Produkte geachtet. „Die Bediener müssen oft mehrmals am Tag neue Produkte einlernen. Dabei ändern sich sowohl die Gimmicks als auch deren Positionierung auf den Zeitschriften. Dem Anlagenbauer Kock ist es aber gelungen, die Anlage mechanisch und steuerungsseitig sehr bedienerfreundlich auszulegen. Das Einlernen eines neuen Produkts ist nach einer Einweisung und mit etwas Erfahrung in etwa fünfzehn Minuten erledigt“, so Peter Lange.

Erheblichen Anteil an der problemlosen Bedienung hat das von Adept zur einfachen Programmierung und Parametrierung komplexer High-Speed-Verpackungsanwendungen entwickelte Software-Tool Adept ACE PackXpert. Anstelle klassischer Programmierung erfolgt die Parametrierung der anwendungsspezifischen Verpackungsaufgaben über eine intuitiv zu bedienende grafische Benutzeroberfläche. Ganz gleich, ob ein oder mehrere Adept Roboter verwendet werden, verschiedene Kameras zum Einsatz kommen, die Roboter bandsynchron oder im Taktbetrieb eingesetzt werden – Adept ACE PackXpert hat für nahezu jede Aufgabenstellung die komplette Funktionalität integriert. Dadurch reduziert sich die notwendige Zeit zwischen Anlagenkonzeption und Inbetriebnahme auf ein Minimum und die Prozesssicherheit der realisierten Verpackungslösung wird erhöht.

Wie gut dies in der Praxis funktioniert, davon konnte sich Peter Lange bei der komplexen Klebeanlage selbst überzeugen: „Nach der Mitarbeiterschulung und einigen Anrufen während der Optimierungsphase habe ich monatelang nichts mehr von den Bedienern gehört. Leicht beunruhigt griff ich also zum Telefonhörer. Schnell stellten sich meine Bedenken als völlig unbegründet heraus. Die Anlage arbeite schnell und zur vollsten Zufriedenheit, die Bedienung bereite keinerlei Probleme, hieß es.“ (as)

www.adept.de
www.kock-systeme.de