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Fachartikel vom 04/07/2015

Kunststoff für den Leichtbau

MuCell-Verfahren: Status Quo einer neuen Technik

In der Automobilindustrie zählt heutzutage jedes Gramm – je weniger ein Fahrzeug wiegt, desto energieeffizienter und leistungsstärker ist es. Mit einer neuen Technik lassen sich Formteile produzieren, die den Anforderungen gerecht werden. Aber es gibt Besonderheiten zu beachten.

Bild: Pöppelmann K-TECH
Das MuCell-Verfahren von Pöppelmann K-TECH bietet Vorteile für die Automobilindustrie: Das Gewicht kann reduziert und Dichtevorteile können erzielt werden. (Bild: Pöppelmann K-TECH)

Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Fertigungsprozessen werden laufend neue Verfahren etabliert und bestehende Kompetenzen weiterentwickelt, um die Produktion so effizient wie möglich zu gestalten und dabei eine optimale Qualität sicherzustellen.

Eine neue Technik, die bei Pöppelmann K-TECH in der Produktion von Spritzgussteilen erfolgreich zum Einsatz kommt, ist das MuCell-Verfahren. Bei dem physikalischen Prozess zum Schäumen von Thermoplasten wird ein Gas wie zum Beispiel Stickstoff oder Kohlenstoffdioxid in eine heiße Kunststoffschmelze eingebracht. Diese Gas/Kunststofflösung wird dann in das Werkzeug eingespritzt. Nach diesem Vorgang breitet sich das Gas im Werkzeug aus, treibt den Kunststoff auseinander und bildet je nach Material mikrozellulare Strukturen mit einer Zellgröße zwischen 5 und 500 µm. Der MuCell-Vorgang kann mit einer speziellen Peripherie direkt an der Spritzgussmaschine gesteuert werden.

Das neue Verfahren bietet viele technische Vorteile: Die in MuCell hergestellten Formteile haben weniger Verzug, kaum Einfallstellen, geringere Eigenspannungen und weisen eine wesentlich höhere Dimensionsstabilität auf. Diese positiven Eigenschaften werden durch das gleichmäßige Expandieren des Gases über das gesamte Bauteil erreicht. Gleichzeitig lässt sich die Bauteildichte je nach Anforderung um bis zu fünfzehn Prozent reduzieren. Durch die maschinelle Steuerung ist der Fertigungsprozess jederzeit reproduzierbar und prozesssicher. Zudem lassen sich durch die Dichtereduzierung auch Materialkosten einsparen. Auch bei der Werkzeugabstimmung fällt weniger Aufwand an – nicht zuletzt ein Grund dafür, dass viele MuCell-Bauteile schneller den Serienstatus erreichen.

Besondere Anforderungen

„In Bezug auf das MuCell-Verfahren haben wir in den letzten Jahren umfassende Erfahrungen gesammelt“, erklärt Reinhard Böckmann, Projektleiter bei Pöppelmann. Das umfasse die Bereiche Material, Konstruktion, Werkzeugbau und Prozesssteuerung. Bei der Auswahl des richtigen Materials muss aus Sicht des Projektleiters einiges beachtet werden: „Prinzipiell lassen sich alle Thermoplasten schäumen, doch nicht alle Materialien garantieren auch eine prozesssichere Verarbeitung“, gibt Böckmann zu bedenken.

Zwischen den unterschiedlichen Polymergruppen und Herstellern gibt es große Schwankungen. Aus diesem Grund hat man bei Pöppelmann bereits vor vielen Jahren damit begonnen, Materialanalysen durchzuführen. Dabei wurde untersucht, wie sich die mechanischen Werte der Materialien im Fertigungsprozess verändern und ob sich das Material überhaupt prozesssicher in MuCell verarbeiten lässt. Diese Bemühungen zahlen sich heute aus: So hat das Unternehmen bereits über 1.800 Tonnen Material auf den vorhandenen MuCell-Maschinen in Serie verarbeitet.

Bild: Pöppelmann K-TECH
Auch für Bauteile, die ebene Flächen aufweisen müssen, ist MuCell eine Alternative, denn viele Kunststoffteile sind nach dem Spritzgussprozess dimensionsstabiler als im Kompaktspritzguss. (Bild: Pöppelmann K-TECH)

Wie bei vielen neuen Technologien und Fertigungsverfahren sind auch beim MuCell-Verfahren einige wesentliche Punkte bei der Bauteilkonstruktion zu beachten: „Grundsätzlich sollte im Vorfeld die Zielsetzung zum Beispiel bezüglich Gewichtsreduzierung oder Bauteilverzug klar definiert werden. Nur so lassen sich die unterschiedlichen Vorteile des MuCell-Verfahrens gezielt nutzen“, so Böckmann. Auch fertigungsbezogene Vorgaben wie eine möglichst gleiche Fließweglänge für eine gleichmäßige Schaumstruktur, die Vermeidung von Hotspots sowie die Angleichung des Rippen-/Wandstärkeverhältnisses müssten dabei beachtet werden. Das Fließweg-Wandstärkenverhältnis bestimme letztendlich die maximal mögliche Gewichtsreduzierung. Böckmann: „Geeignete Simulationsprogramme werden bei der Konstruktion von uns gezielt eingesetzt.“

Bei der Anfertigung der Werkzeuge für den MuCell-Fertigungsprozess gilt es, spezielle Anforderungen zu erfüllen. So müssen zum Beispiel die Entlüftung und die Kühlkreisläufe prozessgerecht ausgelegt werden, damit eine konstante Serienqualität des Artikels über den gesamten Lebenszyklus hinweg gewährleistet werden kann. „Wir haben gute Erfahrungen mit Kombi-Werkzeugen gemacht“, erklärt der Projektleiter. Dabei würden zwei unterschiedliche Bauteile einer Baugruppe in einem Werkzeug kombiniert, was Aufwand und Kosten reduziert. Alle bei Pöppelmann eingesetzten MuCell-Werkzeuge sind Heißkanalwerkzeuge mit Nadelverschlussdüse.

Potenzial noch nicht vollkommen ausgeschöpft

Beim MuCell-Verfahren entstehen jedoch nicht nur Herausforderungen in Bezug auf das Material oder die Fertigung. „Der Prozess muss immer ganzheitlich betrachtet werden“, betont Reinhard Böckmann „Nur wenn wir alle Schritte von Anfang an richtig dokumentieren und steuern, lässt sich später eine störungsfreie, prozesssichere und erfolgreiche Serienfertigung von MuCell-Bauteilen erreichen.“ Aus diesem Grund berät und unterstützt Pöppelmann seine Kunden in jeder Projektphase – von der „MuCell-gerechten“ Zeichnung, über die Zellgrößenanalyse oder mechanische Bauteilteilprüfungen bis hin zur Freigabe des Serienprozesses.

Insgesamt gibt es also viele Aspekte zu beachten – doch der Aufwand lohnt sich: Pöppelmann fertigt nun schon seit einigen Jahren eine Vielzahl seiner MuCell-Produkte erfolgreich in Serie. Im Jahr 2013 wurden etwa 2,5 Millionen MuCell-Kunststoffteile produziert – Tendenz steigend. Die dabei gewonnenen Erfahrungen des Kunststoffexperten bestätigen, dass MuCell viele Vorteile bietet – dennoch ist noch längst nicht das gesamte Potenzial des Verfahrens ausgeschöpft. „Vor allem im Bereich der Materialien gibt es noch Luft nach oben“, sagt der Projektleiter. Aus diesem Grund arbeite Pöppelmann an einer Studie, um seinen Kunden bereits in der Projektphase geeignete Polymertypen zu empfehlen und aussagekräftige Kennwerte zum mechanischen Verhalten bei unterschiedlichen Gewichtsreduzierungen bereitstellen zu können. Ein weiteres Ziel dieser Studie bestehe darin, auch Strukturanalyseberechnungen für die Kunden durchzuführen. Außerdem arbeitet das Unternehmen an der Optimierung der Oberflächeneigenschaften der Kunststoffkomponenten. (as)

www.poeppelmann.com/k-tech